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Land: Erst Vorbelastung untersuchen

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Heizkraftwerk - Aktionsbündnis fordert Baustopp - Neues Schreiben aus dem Sozialministerium
KORBACH (jk). In Sachen Müllheizkraftwerk plädiert das hessische Sozialministerium urplötzlich für eine Voruntersuchung.

„Im Interesse eines vorsorgenden Gesundheitsschutzes" müsse die Datenlage in Korbach verbessert werden. Hintergrund sind statistisch auffallend häufige Atemwegserkrankungen bei Schulkindern.
Eine Voruntersuchung von Belastungen in Luft, Boden und Wasser hatte die Gemüter schon bei der öffentlichen Anhörung im Januar erhitzt. Fachleute des Regierungspräsidiums (RP) als Genehmigungsbehörde, Vertreter der Betreiberfirma MVV Energie (Mannheim) und das Korbacher Aktionsbündnis lieferten sich zwei Wochen einen offenen verbalen Schlagabtausch in der Stadthalle um die Genehmigung des Heizkraftwerks in Korbach.

Kurz vorher hatte ein Brief aus dem hessischen Soziafministerium für Aufsehen gesorgt. Demnach ergaen Einschulungsuntersuchungen zwischen 1998 und 2005 der Gesundheitsämter bedenkliche Werte: Korbacher Kinder leiden mehr als doppelt so häufig unter dem „Bronchitischen Syndrom" als andernorts in Hessen. Professor Martin Henseling, damaliger Umwelitoxikologe im Sozialministerium, riet deshalb, „im Interesse der Zukunft der Kinder gezielt Belastungsdaten" zu erheben.

Die Bürgerinitiative griff diese Erkenntnisse im Genehmigungsverfahren wiederholt auf. Denn Kraftwerksbetreiber MVV lehnte eine solche Untersuchung ab. Und das Regierungspräsidium Kassel folgte in seiner späteren Genehmigung dieser Einschätzung. Maßgebend war dabei auch die Erkenntnis durch ein medizinisch-humantoxikologisches Gutachten des Münchener Uni-Professors Wichmann.

Es bleiben jedoch Fragen offen: Wichmann erklärte, seine Aussagen hätten nur dann Bestand, wenn die Datenbasis stimme. Als Vergleichsstandort für Luftbelastung dienten aber Ergebnisse aus Kassel Nord, nicht etwa aus Korbach, wie die Bürgerinitiative kritisierte.

Mehr Bronchitis bei Kindern?

Auf der anderen Seite sind auch die Einschulnngsuntersuchungen der Gesundheitsämter nicht wissenschaftlich belastbar. Und: Während bei Korbacher Kindern deutlich mehr Bronchitis festgestellt wurde, haben sie taut Statistik nur halb so häufig Asthma wie im Landesdurchschnitt. Auch das schien unschlüssig.

Inzwischen ist der Bau des Müllheizkraftwerks weit fortgeschritten, Ende 2008 könnte es fertig sein. Doch das Aktionsbündnis hat zuletzt Klage eingereicht und in einem einstweiligen Schnellverfahren einen Baustopp vom RP gefordert.. Ein wesentlicher Punkt in der Begründung fußt weiterhin auf Belastungen durch Schadstoffe aus der Luft. Betreiber MVV berief sich auf sogenannte „Irrelevanzkriterien". Demnach unterschreiten die Emissionen die zulässigen Grenzwerte so deutlich, dass von dem Heizkraitwerk keine Gefahr usgehen kann.

Das sieht die Bürgerinitiative jedoch ganz anders, wie deren Rechtsanwalt Philipp Heinz (Berlin) gegenüber WLZ- FZ erklärt. Selbst aus dem Genehmigungsbescheid gehe hervor, dass bei Schwermetallen wie Cadmium, Quecksilber unrl Thallium die Irrelevanzkriterien überschritten würden. Zudem sei die Leistung des vorgesehenen Gewebefilters bei der Rauchgasreinigung „unrealistisch hoch" angesetzt. Fazit: „In der FZealtität sind erheblich mehr Schadstoffe zu erwarten als nach der Prognose", betont Heinz.

Daten "vor Inbetriebnahme"

Durch ein jüngstes Schreiben aus dem Sozialministerium sieht sich das Aktionsbündnis - Bürgerinitiative, Naturschutzhund, BUND, Grüne und Ärztenetz Waldecker Land - bestätigt. Angesichts der unsicheren Datenlage zu den Befunden bei Schulkindern „sollte eine weitere Abklärung erfolgen", heißt es in einem Brief an Ersten Kreisbeigeordneten Peter Niederstraßer: „Es sollten aussagekräftige Daten zur lokalen Immissionsbelastung für die Region Korbach vorliegen", erklärt Staatssekretär Gerd Krämer aus Wiesbaden. Erst danach sei es möglich, „Entscheidungen über das weitere Vorgehen zu fällen" - und zwar „vor Inbetriebnahme" des Kraftwerks.

„Abwendung von Gefahren"

Niederstraßer hatte das Sozialministerium um Stellungnahme gebeten, denn auch im Kreistag war das Thema kontrovers diskutiert worden. Nunmehr richtet sich Landrat Helmut Eichenlaub neuerlich an Regierungspräsident Lutz Klein: Der Regierungspräsident möge zur Abwendung von gesundheitlichen Gefahren für die "Korbacher Bevölkerung" dem „Erlass" aus Wiesbaden nachkommen, für die nötige Datenerhebung sorgen, verlässlich auswerten lassen „und einer besorgten Öffentlichkeit zur Verfügung stellen".

Kuriosum im Verfahren: Die Bürgerinitiative klagt formal gegen das Land Hessen, dessen Behörden wiederum - Regierungspräsidium und Sozialministerium - offenbar uneins sind, wie die Lage zu beurteilen ist.

 

 

 

 

Quelle: WLZ vom 10. November 2007

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