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Stadt beauftragt Kieler Toxikologen

„Signal hätte der Kreis geben müssen“


Erster Schritt vor möglicher Luftmessung: Stadt investiert 18 000 Euro für Auswertung bestehender Daten


Den Schadstoffen in der Korbacher Luft auf der Spur: Kieler Toxikologen sollen zunächst bereits vorliegende Umwelt- und Gesundheits-Daten auswerten und danach entscheiden, ob eine Luftmessung Sinn macht.

Von Lutz Benseler

Korbach. Einstimmig haben sich die Stadtverordneten am Donnerstag dafür entschieden, das Institut für Toxikologie und Pharmakologie für Naturwissenschaftler am Universitätsklinikum Schleswig-Holstein mit dem Gutachten zu beauftragen. Dafür will die Stadt zunächst 18 000 Euro ausgeben. Folgen könnte eine Luftmessung – wenn es die Wissenschaftler für sinnvoll erachten.

Schon viele Daten da

Institutsleiter Professor Dr. Edmund Maser und der Toxikologe Dr. Hermann Kruse erläuterten in der Stadtverordnetenversammlung die schrittweise Vorgehensweise (siehe Hintergrund). Vor einer Luftmessung muss klar sein, nach welchen Schadstoffen die Wissenschaftler überhaupt suchen müssen. „Wir dürfen nicht den zweiten Schritt vor dem ersten machen. Wir müssen erst etwas über die Stoffe wissen“, sagte Kruse. Deshalb sollen zunächst die von der Industrie abgegebenen Emissionen festgestellt werden. „Es sind schon viele Daten da, wir können damit eine fundierte Aussage machen“, sagte Maser. Rund 20 Studien und Gutachten, die im Zusammenhang mit der Luftqualität und möglichen Atemwegserkrankungen in Korbach stehen, sind zwischen 2005 und 2010 erstellt worden.

„Wird nicht gemauert“

Emissionsdaten des Continental-Werks, das Humantoxikologische Gutachten von Professor Dr. Erich Wichmann aus dem Jahr 2006, Immissionsanalysen, meteorologische Studien, Geruchsgutachten, Erhebungen der Bürgerinitiative sollen unter anderem in die Bewertung der Kieler Wissenschaftler einfließen. „Es gibt eine große Bereitschaft von allen Seiten, die Daten weiterzugeben. Es wird nicht gemauert“, sagte Kruse.
Um zu klären, welche Belastung die Bevölkerung aus Luft, Boden und Wasser hat, fließen auch bisher nicht berücksichtigte Quellen in das Gutachten an. Der Umwelt-Survey, eine große Studie des Umweltbundesamtes in Zusammenarbeit mit dem Robert-Koch-Institut, liefert repräsentative Ergebnisse über die Belastung durch Schadstoffe der deutschen Bevölkerung. Bis zu 5000 Personen wurden dazu untersucht und befragt, zuletzt in den Jahren 1997 bis 1999. Auch für Korbach liegen Daten vor. „Spezielle Stoffe fehlen aber“, schränkte Kruse ein. Auch in der Umweltprobenbank des Bundes in Münster könnte laut Kruse nach Schadstoffen gesucht werden: Die Einrichtung sammelt seit 1985 jedes Jahr Tausende von Proben – unter anderem Körperflüssigkeiten und Haare von Menschen – und konserviert sie bei minus 180 Grad Celsius. Nächster Schritt wäre eine Immissionsprognose. Erst wenn sich die Hinweise erhärten, dass bestimmte Schadstoffe mögliche Ursache für eine Gesundheitsschädigung oder Erkrankung sein könnten, stehen die Wissenschaftler zuletzt vor der Frage: Müssen wir Messungen machen?

Breite Zustimmung

Bei allen Fraktionen fand der Vorschlag der Wissenschaftler Zustimmung. Marc Müllenhoff (CDU) erklärte: „Das Vorgehen ist gut und richtig.“ Helmut Schmidt (SPD) sagte: „Wir sind in der Pflicht, den Bürgern Sicherheit zu geben.“ Und auch Kai Schumacher (FWG) bekräftigte: „Wir wollen endlich wissen, was los ist.“
Daniel May (Grüne) sprach von einem „guten Signal“, das eigentlich der Landkreis hätte setzen müssen.

Der Kreistag hatte im Juni 2010 einen Parlamentsbeschluss vom Dezember 2009 wieder aufgehoben. Peniblere Schuleingangsuntersuchungen, genauere Auswertungen von Umwelt- und Gesundheitsdaten waren damit plötzlich vom Tapet. Auslöser waren Zahlen der Kassenärztlichen Vereinigung, nach denen Korbach durch eine vergleichsweise niedrige Zahl an Atemwegserkrankungen auf sich aufmerksam macht. Die Auswertung erntete in der Folge viel Kritik.
Auch Kruse schränkte die Aussagekraft der Zahlen am Donnerstag ein: Sie enthielten zu viele Störfaktoren. So müssten etwa Raucher aus der Statistik genommen werden.

 

HINTERGRUND

Fünf Schritte

Eine Vorgehensweise in fünf Schritten schlagen die Wissenschaftler der Stadt Korbach vor.
Los geht es zunächst mit Schritt 1, weitere sollen folgen – falls sinnvoll:

1. Feststellung der Emissionen durch Datenauswertung: Welche Schadstoffe werden in Korbach ausgestoßen?
2. Immissionsprognose: Welche Schadstoffe wirken tatsächlich auf die Menschen ein?
3. Festlegung, ob eine Messung sinnvoll ist
4. Immissionsmessung
5. Auswertung der Messergebnisse


Quelle: WLZ  26. Februar 2011

 

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